Frauen-WM 2025: Bundestrainer Markus Gaugisch im Interview

Bundestrainer Markus Gaugisch (51) steht vor entscheidenden Wochen. Im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst spricht der Frauen-Bundestrainer vor dem Start der Heim-WM über Ziele und Visionen – und die Schlagzeile, die er am Tag nach dem Finale lesen will.

Markus Gaugisch, Ihr Sohn Kalle hat die deutsche U17-Nationalmannschaft gerade zum WM-Titel geführt. Gibt er dem Papa ein paar Tipps mit auf den Weg, wie man Weltmeister wird?

Markus Gaugisch (Frauen-Bundestrainer): „Bisher nicht. Kalle ist niemand, der auf die Pauke haut, er ist eher ein ruhiger Vertreter. Aber ich kann ja nochmal fragen. Die Jungs waren auf jeden Fall tolle Vorbilder in Sachen Coolness.“

Kann sich Ihre Mannschaft da womöglich etwas abschauen?

Gaugisch: „Ja, superinteressant für mich war die Entwicklung. Sie sind gereift über die letzten Monate im Vergleich zum EYOF-Turnier im Juli und auch im Turnier in Marokko selbst. Sie haben sich nicht provozieren lassen und sind mit dem Lärm und der Atmosphäre in der Halle hervorragend umgegangen. Das war toll zu sehen, sowohl als Trainer als auch als Vater.“

Blicken wir auf die Frauen-WM. Die Hallen in Stuttgart und Dortmund werden voll sein, der Verband fährt groß auf, die Aufmerksamkeit für das deutsche Team wächst: Wie nehmen Sie die Stimmung im deutschen Frauenhandball aktuell wahr?

Gaugisch: „Sehr positiv. Ich fühle mich total gut. Da sind keine Bedenken, ich habe einfach nur Bock, mit der Mannschaft und dem Trainerteam ins Turnier zu starten. Die Hallen werden voll sein, wir haben über 10.000 Zuschauer in Dortmund, 6000 in Stuttgart – das ist im Frauenhandball nicht alltäglich. Der Verband unterstützt mit der starken ‚Hands up for more‘-Kampagne. Für uns ist jetzt das Wichtigste, dass wir unser Handballspiel auf die Platte bringen, dann kann das Gesamtpaket richtig stark werden.“

Vor allem nach der Insolvenz von Spitzenklub HB Ludwigsburg hinkt die Bundesliga der internationalen Spitze ein gutes Stück hinterher. Woran liegt das?

Gaugisch: „Die Wahrnehmung des Frauenhandballs ist in anderen Ländern einfach eine ganz andere. In Dänemark, Ungarn, Rumänien oder Frankreich sind die Hallen voll, die Bedingungen viel professioneller. Du findest dort mehr Teams, in denen die Spielerinnen als Profi angestellt sind, damit sie sich voll auf den Sport konzentrieren können. Aber es entwickelt sich in Deutschland, finde ich, in eine gute Richtung. Es geht dabei aber auch nicht von heute auf morgen. Das ist ein Prozess.“

Wie kann die Nationalmannschaft helfen, diese Lücke zu schließen?

Gaugisch: „Wir können als Beschleuniger wirken. Wir sind eine nahbare Mannschaft, mit guten Vorbildern in jeder Hinsicht – Zielstrebigkeit, Motivation, Nahbarkeit. Wenn wir Begeisterung erzeugen, können wir dem Ganzen einen Push geben. Das hat man nach den Olympischen Spielen gesehen: Plötzlich kennen Jugendliche Spielerinnen wie Antje Döll, Jenny Behrend, Xenia Smits oder Viola Leuchter. Die Nationalmannschaft hat Strahlkraft.“

Die Vorrunde läuft nicht im Öffentlich-Rechtlichen, ARD und ZDF übertragen erst ab einem möglichen Viertelfinale live von der WM. Erzeugt das Druck beim Bestreben den Frauenhandball nach vorne bringen zu wollen?

Gaugisch: „Druck ist bei diesem Thema nicht die richtige Vokabel. Ich habe bisher nur positive Gefühle mit dieser Heim-WM verbunden. Und ich habe das Gefühl, bei den Spielerinnen ist es auch so. Da macht sich keine einen Kopf. Die freuen sich, dass sie im Spot stehen, dass sie in vollen Hallen spielen, dass sie zeigen können, was sie sich erarbeitet haben. Alle haben richtig Bock!“

Wurmt es Sie, dass Ihr Team die ganz große mediale Bühne erst ab dem Viertelfinale bekommt?

Gaugisch: „Ich finde es schade, weil ich glaube, dass es verdient gewesen wäre und auch der Sache entsprechen würde. Aber wir können es nicht ändern und wollen einfach das Beste draus machen. Wir müssen schauen, dass wir den Schritt dahin machen und in dem Viertelfinale wirklich an unser Leistungslimit kommen, um dann vielleicht nochmal zwei Spiele in den Öffentlich-Rechtlich zu haben. Das ist etwas, wovon wir träumen.“

Zuletzt landete die deutsche Mannschaft bei Welt- und Europameisterschaften und auch 2024 bei Olympia zuverlässig zwischen Platz sechs und acht. Warum gelingt diesmal, 18 Jahre nach der WM-Bronze 2007, der große Wurf?

Gaugisch: „Was ein Punkt sein kann, ist unsere eigene Erfahrung. Wir haben eine gewisse Turnierroutine und Dinge, die dort wichtig sind, besser verinnerlicht. Auch handballerisch sind wir besser geworden, unser Spielsystem ist variabler. Wir sind breiter und flexibler geworden. Das sind alles Dinge, die uns stärker werden lassen.“

Sie haben das Team personell zuletzt kaum verändert, aber auch eine unpopuläre Entscheidung getroffen – etwa Emily Vogel die Kapitänsbinde zu nehmen. Warum?

Gaugisch: „Mit unserer Entscheidung haben wir versucht, einen Impuls zu setzen in Richtung einer anderen Struktur. Und so wie die beiden, es trifft ja auch Alina (Grijseels, Anm. der Redaktion), damit umgegangen sind, davor habe ich absolut höchsten Respekt. Dass es hart ist, ist ja ganz klar. Aber wenn ich sehe, wie sie sich einbringen, wie sie auch handballerisch drauf sind und was sie investieren, dann ist das eine super Reaktion gewesen auf die ganze Geschichte. Bei uns ist der Star die Mannschaft.“

Seit Emily Vogel die Kapitänsbinde nicht mehr trägt, performt auch sie so gut wie lange nicht mehr in der Nationalmannschaft. Was erwarten Sie von Ihr als Führungsspielerin?

Gaugisch: „Emmy ist im Verein momentan in einer sehr guten Form. Ich bin mir sicher, dass sie dieses gute Gefühl transportiert und jetzt auch bei der Heim-WM zeigen wird. Emmy war und ist ein Aushängeschild unseres deutschen Frauenhandballs. Das hat sich nicht geändert.“

Als Favoriten gelten mal wieder die üblichen Verdächtigen: Norwegen, Frankreich, Dänemark und Schweden. Wie lautet Ihre Zielsetzung?

Gaugisch: „Das erste große Ziel ist eine High-End-Leistung im Viertelfinale. Wenn wir von Turnierstart an gut spielen, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, als Gruppenerster dort reinzugehen – was fürs Los wichtig ist. Einen Traum hat jede Leistungssportlerin. Aber ein Ziel ist etwas, das man beeinflussen kann. Und das ist: unser bestes Handballspiel im Viertelfinale auf die Platte bringen.“

Sie sind passionierter Zeitungsleser. Welche Schlagzeile würden Sie am 15. Dezember, dem Tag nach dem Endspiel, gerne über das deutsche Turnier lesen?

Gaugisch: „‚Die DHB-Mannschaft belohnt sich für ein begeisterndes Turnier‘. Das würde vieles abdecken. Wir haben Bock darauf, etwas zu erreichen. Bis zum Ende dabei zu sein, das ist ein Traum, den wir natürlich haben. Wir wollen einfach alles auf der Platte lassen und dann sehen wir, wie weit der Weg geht.“

Das Interview führten Christoph STUKENBROCK und Moritz LÖHR für den SID.

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